2019/2020: das Startjahr
Wie die Tugend aus der Not entstand
Pioniere der Kombination
- rein elektrischer Antrieb (dafür steht das «E» in EBuxi)
- grosse Zahl von Miliz-Fahrer*innen, aktuell um die 42 bei einem Pool von etwa 50
- tiefe Preise, angelehnt an die Transportpreise lokaler öV-Busse, für eine Einzelfahrt zum Beispiel drei Franken, unabhängig von der Distanz, also Ein-Zonenbetrieb
- ausgedehnte Betriebszeiten, die weit über übliche Ortsbussysteme hinausgehen, aktuell am Freitag zum Beispiel von 6.40 bis 01.40 Uhr, der Zeit der letzten Zugsankunft
- fast paritätische Mit-Finanzierung von privaten Sponsoren und öffentlicher Hand.
Buchsi hat das Know-how dazu aufwändig, teilweise mühsam und mit einer beträchtlichen Frustrationstoleranz vor allem seitens des Vorstandes entwickeln müssen. Geholfen haben dabei im Vorstand aktive Experten für IT, für Organisation, für Verkehrsplanung, für Finanzierungsfragen, für Marketing, für Fahrzeugtechnik, für Management von öffentlichem Verkehr – und für Psychologie. Ohne den Mix dieser Experten aus sozusagen unterschiedlichen «Kulturen» hätte EBuxi nicht innert viereinhalb Monaten, der Zeit zwischen der Gründung des Vereins und dem Start, realisiert werden können. Externe Stimmen sind auch der Meinung, EBuxi sei ein gelungenes Beispiel, wie Pensionierte fürs Gemeinwohl organisiert werden können. Und intern hat die eine Fahrerin oder der andere Fahrer schon geäussert: «Ich mache da gern mit, weil mich das Fahren und die App heilsam fordern, weil ich viele Leute und natürlich auch die Dörfer noch besser kennenlerne.» Die Fahrer*innen bekommen für ihre Schichten, vier pro Tag, eine Spesenentschädigung. Aber nur weil die Aktiven darüber hinaus auch persönlich etwas von ihrem EBuxi-Engagement haben, bleiben sie bei der Stange. Das trifft bei fast allen zu, die schon im April 2019 dabei waren.
Überlebensfähig dank Sponsoring
Einbindung ins nationale Projekt «mybuxi»
Der eigentliche Start-Impuls für EBuxi kam aus Bern. Das Bundesamt für Energie BfE wusste 2018, dass Herzogenbuchsee unkonventionelle Lösungen für die Realisierung eines Ortsbusses suchte. Als eine App-Entwicklerfirma für sogenannte on demand shuttles ein Testgebiet suchte, erinnerte sich das BfE an die Oberaargauer und schlug eine kombinierte Bewerbung mit der App-Firma um Bundesgelder aus dem sogenannten KOMO-Topf vor. Die Buchser Bewerbung kam innert Wochenfrist zustande, und App-Entwickler Shotl (Barcelona) erhielt mit drei Test-Gemeinden den Zuschlag für total 250’000 Franken Fördergelder für drei Jahre. Dem nationalen mybuxi-Koordinator, Andi Kronawitter, gelang es, mit guter Werbearbeit, diese Mittel innert Jahresfrist zu vervielfachen: Das funktionierte mit Geldern des bernischen Amtes für öffentlichen Verkehr AöV, vor allem aber mit der massiven Unterstützung von «Engagement Migros» des Migros-Genossenschaftsbundes MGB in Zürich.
Unter dem Namen von mybuxi, abgeleitet vom hiesigen EBuxi, koordiniert das Büro Kronawitter momentan zwei bis vier weitere Projekte von on demand shuttles: Eines in Ostermundigen, startend im Frühjahr 2020, eines im Raum Affoltern-Heimiswil im Emmental, startend im Frühsommer 2020. Projekte im Oberwallis und Toggenburg, vielleicht auch in der Romandie, könnten folgen. Alle Projekte unterscheiden sich in wichtigen Details von EBuxi. Aber Herzogenbuchsee hat mit tiefen Kosten und Preisen, ausgedehntem Angebot, rein elektrischem Antrieb, rascher Realisierung und lokalem Sponsoring ein wichtiges Ausrufezeichen gesetzt. Im Idealfall funktionieren die diversen on demand shuttles mit der gleichen App-Software, mit der gleichen Bestell-Telefonnummer und womöglich auch mit vernetzten Abos. Ganz fern am Horizont steht sogar die Einbindung ins nationale General-Abo des öffentlichen Verkehrs.
EBuxi ebenso wie künftig die andern mybuxi-Dienste fahren mit einer Sonderbewilligung des Bundesamtes für Verkehr BAV. Als Versuch benötigen die mybuxi-Betriebe keine juristische Abdeckung durch das Personenbeförderungsgesetzt PBG und auch keine kantonalen Bewilligungen. Als Verbreitungsgebiet sind die Gemeinden Herzogenbuchsee und Niederönz im Schreiben vom 7. August ausdrücklich genannt.
EBuxi fuhr allerdings auch vom Ende April bis Anfang August nicht illegal. Der Vorstand hatte das Projekt sicherheitshalber als Vereins-Projekt organisiert. Kundinnen und Kunden mit Jahresabos sind nach wie vor automatisch Vereinsmitglieder. Die Einzeltickets und die Zehnfahrtenkarten enthalten den Hinweis auf (zeitlich unterschiedlich lange) Schnuppermitgliedschaften. mybuxi und EBuxi wollen in der zweijährigen Versuchsphase unter anderem beim Bundesamt für Verkehr und beim Kanton Bern erreichen, dass Taxi/Ortsbus-Mischformen, vor allem wenn Freiwillige pilotieren, erleichterten Zugang zu Bewilligungen bekommen. Denkbar sind in Zukunft auch kantonale oder Bundesabgeltungen für diese neuen Formen des öffentlichen Zubringers zu Bahn und Bus (last mile).

Nachfrage: noch kein Ende abzusehen
Am 22. Oktober 2019 begrüsste Fahrerin Elisabeth Flückiger in ihrem Nissan die junge Wysshölzli- Angestellte Samantha Scherrer. Sie war der zehntausendste Fahrgast, den EBuxi beförderte. Frau Scherrer besitzt als sozusagen idealtypische Kundin eine Jahreskarte und bestellte den Nissan an den Bahnhof per App, um zu ihrem Arbeitsplatz zu fahren. EBuxi hatte gerade einmal knapp sechs Monate gebraucht, um auf 10’000 Beförderungen zu kommen.
Ende Februar, nach zehn Monaten Betrieb, verzeichnete das Ortsbustaxi bereits mehr als 21’000 Fahrgäste. Im Mai 2019 war man mit 800 monatlich gestartet, hatte täglich also um die 25 Einsteiger*innen. Prognose und Ziel fürs erste volle Betriebsjahr waren 40 Fahrgäste pro Tag. Heute sind es etwa 2400 pro Monat, also um die 80 Personen täglich, fast das Doppelte des Zielwertes. Rund 1’450 Personen haben die App heruntergeladen, können EBuxi also automatisiert bestellen, eine für alle Beobachter überraschend hohe Zahl. Die Bestellungen laufen de facto zu rund der Hälfte über die App und zur anderen Hälfte über das Telefon. Eine Minderheit der Kunden ist «Fensterklopfer».
Auch die Erwartungen an den «Bus-Charakter» des Ortsbustaxi, die quantitativ nicht formuliert waren, sind ungefähr erfüllt. Knapp unter 20 Prozent aller Fahrten werden im Pooling geführt, das heisst es sitzen Personen mit verschiedenen Zielen im EBuxi und werden nacheinander an nicht allzu weit auseinander gelegenen Destinationen abgesetzt. Der Pooling-Anteil unter Tag liegt eher bei zehn Prozent, in der Nacht steigt er auf bis gegen die Hälfte aller Fahrten. Was damit zusammenhängt, dass nachts der Bahnhof klar im Mittelpunkt steht und sich bei einem um kurz vor elf ankommenden Zug oft Kund*innen, die per App bestellt haben, mit solchen treffen, die aus dem fahrenden Zug telefonisch reserviert haben, samt denen, die dann, weil sie EBuxi grad sehen, ans Fenster klopfen.
Von zuhause zum Doktor, vom Bahnhof zum Pflegeheim
EBuxi versteht sich nicht als Pendler-Service. Damit wäre der Dienst auch überfordert, da er ja bis jetzt unter der Woche bloss maximal sechs Mitfahrplätze und neu zwölf aufs Mal anbietet. Die Auslastungskurve zeigt denn auch, dass morgens bis etwa acht oder neun Uhr die Nachfrage eher klein ist, dann deutlich steigt, über Mittag kurz etwas absinkt, aber sofort wieder hoch geht und dort bis abends etwa um neun Uhr auf praktisch gleichem Niveau bleibt. Erst ab dann geht die Nachfrage wieder deutlich zurück. Die nivellierte Nachfrage macht es möglich, dass EBuxi mit zwei Fahrzeugen fast alle Transportwünsche befriedigen kann. Das nationale Bahn-/Bus- oder das Strassen-System mit ihren viel ausgeprägteren Hauptverkehrszeiten um sechs bis acht Uhr morgens und vor allem von halb fünf bis halb sieben Uhr abends erfordern viel stärker Gross-Kapazitäten und sind entsprechend anfällig für Überfüllungen und Staus.
Wer aber benutzt denn nun vor allem EBuxi? Seniorinnen für die Fahrt zum Freundinnen-Kaffee? Hausmänner für den samstäglichen Einkauf? Verspätete Schulkinder für den Spurt zum Unterricht? EBuxi hat von allem Anfang an ausgeschlossen, Schultransporte zu machen. Auch aus pädagogischen Gründen: Kinder müssen ihren Schulweg selbst erleben: Als Kindergärtler, unterwegs die Schnecken im Nachbars-Garten entdeckend, oder als Schüler auf dem Velo mit den Kollegen auf dem Feldweg artistisch den Pfützen ausweichend. Untertags gehören Transporte zum Arzt oder zur Therapie jeglicher Art zu den EBuxi-Transport- Klassikern. In den Randzeiten kommen Transporte vom Bahnhof zum Arbeitsplatz vor, aber natürlich auch die Heimfahrt der ferienmüden Familie vom Flughafen her mit reichlich Koffern, oder der samstägliche Rücktransport von der Migros oder von der Käsi mit vollen Taschen nach Hause. Auch einen Fahrgast, der mit zwei kleinen Kisten Altmetall einsteigt, um sie im «brings» zu entsorgen, oder eine Kundin mit einem Set alter Weingläser, um sie der Brocki zu schenken, hat EBuxi noch nie abgelehnt.

Die Fahrzeuge: elektrisch und ein bisschen Muskelkraft
Als EBuxi Ende April 2019 startete, waren die beiden geplanten Fahrzeuge im Einsatz: der elektrische Nissan-Van und eine elektrische Rikscha, ausgeliehen von RikschaTaxi Bern. Dass es gelang, den Nissan Evalia zu organisieren, dankte EBuxi der Garage Staub in Röthenbach und dem auto-affinen Finanzverantwortlichen Dennis Borgeaud, der es möglich machte, den eigentlich noch nicht lieferbaren Wagen zu «organisieren». Der Nissan bewährte sich, abgesehen von der systembedingt etwas zu geringen Ladekapazität, rundum. Und zwar so, dass der Vorstand sich Ende 2029 entschied, als zweites Standard-Fahrzeug wiederum einen Nissan Evalia zu beschaffen.
Die Rikscha kam beim Publikum (in der Regel, aber mit Ausnahmen vor allem bei Älteren) und Fahrern gut an. Von Beginn weg war aber klar, dass EBuxi eine leistungsstärkere Version bekommen sollte, die aber erst in Produktion war. In Steigungen, etwa der Weihermattstrasse, wurde dem Piloten, wenn er hinten zwei Passagiere drin hatte, reichlich Muskelkraft abgefordert. Heikler aber war, dass die Steuerungselektronik des Elektromotors sich als pannenanfällig erwies. Echter Winterbetrieb und Einsätze während regenreicher Perioden waren ausserdem nur mit erheblichen Unbequemlichkeiten für Fahrer und Passagiere zu realisieren. Ausserdem verzögerte sich der Liefertermin der eigentlich bestellten und leistungsfähigeren Rikscha immer mehr hinaus. Im November beschloss der Vorstand mehrheitlich, den mündlichen Vorvertrag für die Rikscha zu kündigen und auf das Fahrzeug zu verzichten. Die EWK als Sponsorin der EBuxi-Fahrzeuge hatte sich damit einverstanden erklärt, dass der Vorstand die freigewordenen Gelder des Rikscha-Kaufs für den Erwerb des zweiten E-Nissan umfunktionierte.
Als Verstärkungsfahrzeug dient bis heute ein elektrischer VW Golf der Schlossgarage in Thörigen. Das Fahrzeug ist ausgeliehen und wird zusätzlich per gefahrenem Kilometer bezahlt. Für Regel-Einsätze ist es allerdings zu teuer. So rechnet EBuxi für eine Fahrt vom Bahnhof raus zu den Feldägerten gut vier Kilometer und damit vier Leih-Franken ab, während der Ertrag nur drei Franken umfasst. Als Ersatzfahrzeug, etwa bei Nissan-Reparaturen, bleibt der E-Golf aber weiterhin im Einsatz.
Hunde ja oder nein? Das Spielregeln-Set
Die Fahrpreise, die wegen der Eigenwirtschaftlichkeit auf Mai 2020 wohl erhöht werden müssen, betragen momentan drei Franken für die Einzelfahrt, 25 Franken für die Zehnerkarte (die gelocht wird), und 150 Franken für die Jahreskarte. Die ist zu diesem Preis natürlich nicht übertragbar.
Transport-Priorisierungen gibt es nur wenige. Die wichtigste besteht darin, Fahrten von zuhause an den Bahnhof, um einen Zug oder Bus zu erreichen, vorzuziehen. Definitiv zusagen kann die Fahrerin die Pünktlichkeit so eines Transportes aber nur bei telefonischer Bestellung. Die App kann als Ziel zwar den Bahnhof identifizieren, nimmt aber keine Priorisierungen vor.
Die Erlöse aus Tickets und Abos decken (Budget 2020) knapp 40 Prozent der Gesamtkosten. Deren höchster Aufwandbetrag umfasst die Entschädigungen für die Entlöhnung des Fahrer-Managements und der Fahrer*innen-Spesen, zusammen etwa 56 Prozent.
Organisation ist alles, Improvisation auch

Schwierigkeiten: App und Kälte und Stress
Die Schwierigkeiten in den ersten zehn Monaten sind nicht dort aufgetaucht, wo sie der Vorstand am ehesten vermutet hatte, nämlich beim Mobilisieren der Fahrer*innen und beim Bestreben, sie bei der Stange beziehungsweise beim Nissan zu halten.
Im Fazit gibt es drei Problembereiche, die den Vorstand und die Fahrer*innen auf Trab halten und oft notfallmässig zu Änderungen von Organisation und Technik geführt haben:
- Die App ist dem Ortsbustaxi-Betrieb von Herzogenbuchsee nur mangelhaft angepasst und weist (zu) viele Fehler auf, die nur schleppend angegangen wurden.
- Die unerwartet stark gestiegene Nachfrage führte im Winter dazu, dass der Akku des Standard- Fahrzeuges (Nissan Evalia E-NV 200) an manchen Tagen, vor allem donnerstags und freitags, zu schnell leer war.
- App-Probleme, manchmal Probleme mit dem Telefon-Umschalten (untertags nahm eine Zeitlang die BETAX in Bern die Telefonvermittlung extern wahr), aber auch Probleme mit sehr anspruchsvollen Kunden führten zu Stress bei den Fahrer*innen und zur Notwendigkeit, zeitaufwändig im Hintergrundsystem oder mit Doppeleinsatz im Fahrzeug aktiv zu werden.
Problem eins: Die App, die historisch gesehen am Anfang des konkreten Projektes und seiner Finanzierung stand, ist für einen on demand shuttle mit Haltestellen entwickelt worden. Die Annahme beziehungsweise das Versprechen, sie liesse sich für den Betrieb eines Ortsbustaxis weiterentwickeln, erwies sich als falsch. Probleme sind etwa: A. EBuxi musste für die circa 3’500 Adressen in Herzogenbuchsee und Niederönz 996 Haltepunkte definieren. Mehr als tausend hätten das System überfordert. Damit fährt EBuxi nur scheinbar «adressenscharf». Genaue Bestellungen sind mit der App meist nicht möglich. Aus einer Adresse «Bleikematt 42» wird dann auf elektronischem Weg und unbeeinflussbar «Bleikematt 36». B. Fahrerin und Fahrer können nicht erkennen, ob die Adresse genau stimmt oder nur ungefähr. Weil auf dem Fahrer-Display die Besteller-Telefonnummer nicht erscheint, kann auch nicht zurückgerufen werden, wenn der Kunde nicht schon bei der Bleikematt 36 (also eben nicht vor seiner Haustüre) wartet. C. Die App ordnet Bestellungen auf eine schwer nachvollziehbare Weise nicht nur nach Eingangs-Priorität. Sie kann Bestellungen dazwischenschieben und damit den Fahrplan und den Fahrer in die Sätze bringen. D. Manchmal nimmt die App nach 24 Uhr keine Bestellungen mehr für die letzte Schicht an, manchmal sind Bestellungen im Hintergrundsystem (Dashboard) sichtbar ausgewiesen, erscheinen aber nicht auf dem Fahrer-Display.